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Psychischer Marathon in der Krise

Psychischer Marathon in der Krise

Was Du schon unbemerkt alles leistest! Was Dir zusätzlich helfen kann!

Jeder Tag hält viele und vielschichtige Situationen für uns bereit. Dafür bedarf es, dass wir jede einzelne wahrnehmen, hinschauen, erkennen, reflektieren und uns dann entscheiden. Es gibt viele Entscheidungen zu treffen, manchmal sogar sekündlich, minütlich. Die Entscheidungen und ihre Entstehungen sind genauso vielfältig wie die Situationen, mit denen wir konfrontiert werden. Sie können schnell, in aller Ruhe, gehetzt, durchdacht, abgewägt oder auch diplomatisch getroffen werden. Sie können bequem, hilfreich, erfolgsversprechend, unpopulär, lästig, sehnsüchtig erwartet, notwendig, helfend, selbstlos, herzlich sein. All diese Entscheidungen und unsere Blickwinkel, die sie uns haben treffen lassen, erfordern stets den Abgleich mit uns und der Umwelt. Hier wägen wir ab und passen unsere Entscheidungen dann unserer erlebten Realität und gemäß unseren Erfahrungen an.

Das ganze Leben besteht somit auch aus Herausforderungen und Belastungen, oft auch negativer Natur. Diese können wir im Idealfall durch Anpassungsleistung „meistern“, „ausbalancieren“, „wegorganisieren“ oder „stecken sie einfach weg“.

Soweit so gut! Dies gilt für den „Normalfall“. So durchlaufen wir, meist unbemerkt und ohne große Anstrengung, quasi mühelos unseren Alltag. Wie selbstverständlich, nicht darüber nachdenkend, auch auf Routinen zurückgreifend. Aus der Vogelperspektive betrachtet ist dies schon eine ganz schöne Leistung, die wir jeden Tag vollbringen!

Seit einigen Wochen leben wir alle aber eben nicht mehr im Normalfall, nicht mehr unser gewohntes Leben.  Die Corona Pandemie, eine weltumspannende Herausforderung, die sich nicht durch Grenzen abhalten lässt, oder sich nur auf einige Nationen ausbreitet, oder durch andere Parameter wie z.B. Hautfarbe, Gesinnung, Religion, oder finanziellen Ressourcen selektiert. Sie betrifft uns alle! Weltweit!

Entstehung oder erste Wahrnehmung des Virus erreichte uns aus China. Weit weg, wie im Kino einen Thriller schauend, war es irreal, uns irgendwie nicht wirklich betreffend. Es war einfach zu weit weg. Aber dann folgte der sprunghafte Übergang und massive Verbreitung nach Europa, Italien und kurze Zeit später auch zu uns. Nie dagewesen, zumindest fühlt es sich für unsere Generation so an. Wie gehen wir damit um?

In den darauffolgenden Wochen hatte sich für mich folgendes Cluster gezeichnet:

Woche 1: Wir konsumierten Unmassen an Nachrichten; quasi im 24 Stunden-Modus. Gefühlte existenzielle Bedrohung von allen Seiten. So langsam ist angekommen, dass auch wir persönlich betroffen sind. Ergebnis: wir leiden unter der Reizüberflutung der Nachrichten, sind verunsichert. Wochenfazit! „Angst und Ohnmacht entstehen“.

Woche 2: Der Alltag verändert sich massiv. Homeoffice oder Arbeiten unter anderen Bedingungen. Erste Einschränkungen und Unsicherheiten im privaten Umfeld. Digitale Lösungen werden geschaffen. Wir schauen, was machen die anderen? Idealerweise schauen wir, was für uns davon nützlich ist. Andernfalls kopieren wir Verhaltensweisen aus der Angst heraus nach dem Motto „Wenn die Klopapier bunkern, dann wissen die mehr als ich“. Wochenfazit! „Wir organisieren unser Leben neu!“

Woche 3: Wir arrangieren uns nun im neuen Alltag. Einschränkungen und Belastungen zeigen sich und damit uns unsere eigenen Grenzen auf. Der psychische Druck wächst. Soziale Medien werden Bindeglieder zwischen uns und der Außenwelt. Erste soziale Ideen entwickeln sich, Solidarität wächst, organisiert sich. Unverständnis für die, die sich nicht an die Vorgaben der Regierung halten. Wochenfazit! „Druck und Wut wachsen, Solidarität und mediale Vernetzung entstehen“. 

Woche 4: Die Kommunikation der einheitlich agierenden Politriege nimmt Fahrt auf, die Einschränkungen zum Wohle aller auch. Wir sind (meist) damit einverstanden, geht es doch um die Schwachen, Kranken und Alten und irgendwie auch um jeden einzelnen von uns. Das Gesundheitswesen fährt hoch, arbeitet auf Höchstleistung, genau wie systemrelevanten Kräfte! Wir gehen in uns, reflektieren was für uns wichtig ist, was nicht. Wochenfazit! „Bewusstwerdung der eigenen Werte, gefolgt von Respekt und Anerkennung für Leistungsträger“.

Woche 5: Die mediale Vielfalt wird stärker, kontroverse Diskussionen auch, 80 Millionen Virologen diskutieren. Unsicherheiten entstehen, welcher Weg ist der richtige? Der wirtschaftliche Aspekt steht im Fokus. Arbeitslosigkeit, Verluste, Insolvenzen, Börsenkurse sind die Themen. Die politische Opposition erinnert sich ihrer Aufgabe, erste Einwände folgen. Die Belastung und der Druck in Familien wachsen. Auf der anderen Seite explodiert Kreativität auf allen Ebenen. Aus dem Volk der Dichter und Denke werden Macher und Lösungsfinder. Wochenfazit! „Kontrovers und Kreativität gehen irgendwie auch Hand in Hand“.

Woche 6: …. To be continued!

Veränderungen in unserem Leben erfordern von uns eine enorme Anpassungsleistung. Dies sind zum Beispiel Einschulung, Wechsel in weiterführende Schulen oder Universität, Hochzeit, Familie gründen, eigene schwere Erkrankung(en) oder von nahestehenden Personen, Eintritt ins Rentenalter, Verlust geliebter Menschen. Und nun eben auch eine Pandemie! All diese Situationen beinhalten Aspekte von Veränderung, Leid, Erstmaligkeit und fordern uns zum Umdenken, Akzeptieren, Annehmen, anders handeln und agieren. Diese Zeit ist kräftezehrend und fordert uns heraus. Dem einen gelingt es besser, der andere braucht länger oder sogar Unterstützung dabei.

Erinnernd, dass wir im Normalfall viele Entscheidungen treffen und uns immer den alltäglich geforderten Situationen anpassen, kommen in der Krise nun Gefühle wie Ohnmacht, Angst, Hilflosigkeit, Wut hinzu. Diese Gefühle haben meist 2erlei Reaktionen im Gepäck. Stillstand oder Flucht! Beides keine produktiven Helfer, die es schwerer machen, den Alltag zu bewältigen. Wir agieren psychisch auf Hochtouren, das kostet mentale, nervliche und auch körperliche Kraft. Warum körperliche Kraft? Unsere Energie folgt unserer Aufmerksamkeit und wenn diese auf die Sorge blickt, geht die Lebensenergie auch dort hin.

Gute Nachrichten: Wir haben Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln!

Blickwinkel: Wägen Sie bitte ab, welche Themen Sie und Ihr direktes Umfeld wirklich betreffen und auf welche Dinge Sie persönlich Einfluss nehmen können! Fragen Sie sich: „Reibe ich mich an Themen auf, die ich gar nicht beeinflussen kann?“

Quantität: Gestatten Sie sich Zeiten für berechtigte Sorge, denn Verdrängung hilft auch nicht. Vielleicht eine halbe Stunde am Tag, mit dem klaren Ziel verknüpftLösungen zu finden. Mehr Zeit für Sorge frisst auch mehr Energie, die Sie vermutlich für andere, sinnvolle Dinge einsetzen möchten!?!

Qualität: Um Lösungen zu finden, bedarf es zuverlässiger Informationen. Orientieren Sie sich, nach dem Motto „Weniger ist mehr“, ausschließlich an vertrauensvollen Medienquellen, gezielt und begrenzt!

Stattdessen: Um den Blick von der Sorge wegzulenken, fragen Sie sich: „Was möchte ich stattdessen?“Definieren Sie IHR ganz persönliches Ziel! Bitte positiv und mit AROMA = attraktiv, realistisch, oekonomisch, machbar & absehbar!

Kreativität: Nicht Grübeln, sondern kreatives Denken ist der Schlüssel für Lösungen und diese bedürfen Ideenvielfalt, Mut für Neues und der gute Umgang mit Fehlern bzw. die Erlaubnis, sich auszuprobieren. Fahren Sie logisches Denken runter. Schaffen Sie sich dafür eine Umgebung, in der Gedanken schweifen können. Das Gehirn hat die Fähigkeit, das Problem in Einzelstücke zu zerlegen, vergleicht dann mit bekannten Lösungsmustern und kann so neue Lösungen erzeugen! Statt der üblichen Lösungswege kombiniert das Gehirn im schöpferischen Modus Wissen neu und so entstehen Ideen, die über analytisches Denken nicht möglich wären. Fragen Sie sich: „Was wollte ich schon immer mal machen?“ Auch wenn es für Sie derzeit unlogisch erscheint, in einer Situation der Begrenzung, aktiv Themen anzugehen. Überraschen Sie sich doch mal selber?  By the way, die Blitzdigitalisierung meiner Praxis habe ich nur dieser Pandemie zu verdanken. Und hätten Sie gedacht, dass es in den doch eher leicht „angestaubten Autokinos“ mal populäre Konzerte von Brings geben würde?

Struktur: Egal ob wir nun in Kurzarbeit, im Homeoffice arbeiten, die Familie und Freunde nicht mehr sehen und nicht mehr gemeinsam Sport machen können. Wir alle sind betroffen und dadurch hat sich unser aller Alltag verändert. Wichtig ist es nun, auch in dem Ausnahmezustand, der vermutlich noch etwas anhalten wird, eine Struktur zu schaffen. Anders und neu, aber hilfreich!

Haltung: Erlauben Sie sich eine eigene Haltung zu Themen oder auch bewusst, keine Haltung zu Themen anzunehmen. Und stehen Sie zu ihrer ganz persönlichen Haltung, die, basierend auf neuen Informationen oder Erfahrungen, natürlich auch angepasst werden kann, wenn Sie das möchten. Sich immer an Anderen zu orientieren, wird Sie erschöpfen und unsicher machen.

Dies sind einige Einflussfaktoren, die unser aller Leben prägen. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir unser Wohlbefinden in vielen Bereichen selber steuern können, auch wenn das für den ein oder anderen zunächst als schwierig erscheinen mag. „JA, aber die anderen, die dies oder das sagen oder meinen oder von mir möchten!“ Abgrenzung ist hier nötig!

Beruflich gilt es abzuwägen, ob dies unmittelbar zu Ihrem Aufgabengebiet und Ihrer Rolle gehört. Eine offene Kommunikation, Nachfragen, Reflektieren und auch konstruktive Auseinandersetzungen sind hier möglich. Auch wenn es vielleicht ungewohnt erscheint, meist wird einem Mitarbeiter, der mitdenkt und sich konstruktiv einbringt, am Ende mehr Respekt entgegengebracht als vermutet. Dies ist zumindest wünschenswert. Hier zeigt sich, ob Ihre Führungskraft „Boss“ oder „Leader“ ist.

Im privaten Umfeld empfinden es Menschen öfters mal als schwer, sich von der Meinung, den direkten oder auch unterschwelligen Forderungen anderer, zu distanzieren. Schauen Sie dann bitte noch einmal genau hin und fragen sich: „Wer ist Inhaber des Problems?“. Wie gehe ich grundsätzlich mit solchen Anforderungen an mich um? Kann ich mich abgrenzen, unberechtigte Forderungen ignorieren oder an den zurückzugeben, dem sie gehören?

Abgrenzung ist neben der gerade viel geforderten Anpassungsleistung ein weiteres spannendes Feld, dem ich mich in einem separaten Artikel widmen werde.

Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen, entweder in meiner Videosprechstunde oder hoffentlich auch bald wieder als Präsenztermin in meiner Praxis.

Bitte bleiben Sie geduldig und gesund!

Sabine Gorka