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Warum wir nicht frei sind zu tun, was uns guttut!

Warum wir nicht frei sind zu tun, was uns guttut!

In der aktuellen pandemischen Lage begegnen mir besonders viele Menschen in meiner Praxis, die ihre eigenen Wünsche, Bedürfnisse, Ziele und Sehnsüchte nicht umsetzen können oder keinen guten Zugang zu sich selber haben. Damit werden Konflikte verschiedenster Art befeuern. Diese ungewohnte, teils begrenzende oder auch belastende Situation fordert uns alle. Je nach Persönlichkeitsstruktur und Wesenszügen, kann eine solche Anpassungsleistung, die wir aktuell alle gleichermaßen leisten müssten, von einigen besser umgesetzt werden als von anderen.

Generell gilt, dass Egoismus eine notwendige Gabe ist, um sein Leben nach den eigenen Wünschen und Interessen zu gestalten. Dieser ist fälschlicherweise in Verruf geraten, wird er aber an der Stelle einfach nur mit Egozentrik verwechselt. Kommen also Menschen, die einen wenig ausgeprägten Egoismus haben, in eine belastende Situation, fällt es ihnen umso schwerer, sich und ihre Ziele im Blick zu halten. Richten Sie doch ihre Aufmerksamkeit und somit ihre Energie eher auf andere, in der Familie, im Beruf und im sozialen Umfeld. Der Grad der Ablenkung vom eigenen Ich ist dann um ein Vielfaches höher, als er eh schon ist.

Der Psychologe Karl König unterscheidet zwischen 13 Persönlichkeitsmerkmalen: depressiv, selbstunsicher, zwanghaft, dependent, asthenisch, histrionisch, schizoid, hyperthym, hebephren, narzisstisch, paranoid, borderline, soziopathisch. Idealerweise setzt sich eine Persönlichkeit aus mehreren dieser Merkmale zusammen, da ansonsten eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. In meiner Praxis begegnen mir vornehmlich Menschen mit stark ausgeprägten histrionischen, depressiven oder schizoiden Persönlichkeitsanteilen. Hingegen holen sich Menschen mit ausgeprägtem Narzissmus oder Soziapathie eher keine Unterstützung, sehen sie dafür auch niemals einen Grund.

  • Menschen, die gar nicht erst auf die Idee kommen, dass sich ihr eigenes Leben um sie selber drehen kann, darf, soll oder gar muss. Diese Menschen, mit einer starken histrionischen Seite, haben sich (noch) nicht die Erlaubnis erteilt, dass Sie ebenbürtig und wichtig sind. Sie haben vermeintlich gelernt, dass andere immer wichtiger sind, als sie selber. Ihr Treiber ist „Sei immer richtig!“ und ein häufiger Glaubenssatz lautet „Sei so, wie andere dich haben wollen“. Sie sind feinste „Seismographen“ ihrer Umwelt. Sie nehmen jede „Schwingung“ wahr. Dies ist eine „kindliche Strategie“, die sie in jungen Jahren erlernen mussten, um zu überleben. Oft ist ihr familiäres Umfeld z.B. dominant, streng, abwesend (räumlich oder menschlich) oder krankhaft. Für diese Kinder ist es überlebenswichtig zu wissen, ob der z.B. herrische Vater heute ruhig bleibt, die bipolare oder depressive Mutter heute aufgestanden oder nüchtern ist oder welche Ambivalenzen und Forderungen der Borderliner Ihnen heute wieder übergestülpt hat. Diese Menschen selber sind kreativ, unterhaltsam, gut wahrnehmbar und genießen das Bad in der Menge. Ihre Unsicherheit von außen kaum wahrnehmbar, denn sie schaffen Lösungen für andere, sind wahre Organisationstalente und bringen sich stets ein. Dennoch ist ihre Verletzlichkeit hoch und sitzt sehr tief, gepaart mit der Sehnsucht um gesehen und anerkannt zu werden.
  • Menschen mit eher depressiven Persönlichkeitsmerkmalen wissen zwar, was sie gerne machen möchten, aber trauen sich nicht, es zu leben. Es sind meist wahre „Arbeitstiere“, für die es selbstverständlich ist, fleißig zu sein. Ihnen fehlt oft die Erfahrung, dass das, was sie leisten, wertvoll ist. Dass das, was sie leisten, mehr als genügt. Dass das, was sie sich wünschen, den gleichen Stellenwert hat, wie das, was sich ihr Umfeld wünscht und wie selbstverständlich umsetzt. Fritz Riemann beschreibt es für die depressive Persönlichkeitsstruktur in seinem wundervollen Buch „Grundformen der Angst“ ziemlich treffend „So sitzen sie gleichsam an der vollgedeckten Tafel des Lebens und trauen sich nicht zuzulangen, müssen voller Neid sehen, dass andere frisch zugreifen und es sich schmecken lassen – und sich dabei auch noch wohlfühlen“. Sie sind meist mit kühlen oder überbehütenden Eltern groß geworden, zeichnen sich durch Sorgfalt, Ordnung, wenig Emotionalität, Grund-Traurigkeit und freudlosem Lebensausdruck aus. Ihr Anpassungsgrad ist sehr hoch, geleitet durch das Selbstbild „Alle anderen sind besser“. Sie sind Retter der anderen, aber eigene Probleme werden nicht auf der Sachebene angegangen, hier herrscht eher resignierter Rückzug. Sie klagen und jammern, mal laut, mal leise, aber die klagen. Sie haben keine Erlaubnis darüber, es den anderen gleich zu tun. Was bleibt, ist der neidvolle Blick auf den prall gefüllten Tisch des Lebens, an dem sie sich nicht wagen zu bedienen!
  • Menschen mit ausgeprägten schizoiden Zügen, reden und agieren rational, haben aber kaum Zugang zur eigenen Emotionalität. Werden sie nach eigenen Gefühlen gefragt, haben sie darüber keine Informationen. Ihre Beschwerde beginnt meist „Ich verstehe nicht, dass…“. Sie agieren stets aus der Sachlichkeit heraus und erwarten dies auch von Ihrer Umwelt, „emotionale Ausbrüche“ anderer überfordern sie regelrecht. Ihre Eltern waren oft emotional übergriffig oder haben „ihr Ding gemacht“, bringen sich wenig in den Familienalltag ein, überlassen ihn dem anderen übergriffigen Elternteil. Tendenziell schizoide Menschen sind ausgeglichen, zurückhaltend und eher konfliktscheu. Durch ihren Fokus auf das Sachliche finden wir diese u.a. in Ingenieurbüros oder Beamtenstuben. Die Übergriffigkeit in der Kindheit hat sie die Welt so interpretieren lassen, dass es „gefährlich ist“, Gefühle zuzulassen. Daher haben sie sich unbewusst entschieden, „mit dem Thema nichts mehr zu tun haben zu wollen“. Der Antreiber „Sei nicht Du!“ lässt sie oft mit temperamentvollen Menschen zusammen sein, an denen sie sich orientieren. Sie setzen sich für diese Menschen gerne und stark ein, müssen sie sich so nicht mit ihrer eigenen Emotionalität auseinandersetzen. Meist sind es tolle Partner und Eltern. Fehlt ihnen aber jegliche Idee über ihr eigenes Selbst, werden sie schnell vom Opfer zum Verfolger bzw. Täter. Sie stülpen Ihrer Umgebung ihre Sachlichkeit über und erwarten, dass diese auch der Norm zu entsprechen hat. („Das macht man nicht“, „Das gehört sich nicht“). Denn Normen und Regeln geben ihnen ja Orientierung, in der „bösen Welt der Gefühle“, in der sie sich nicht auskennen. Für die Umgebung kann dies Kontrolle, Einengen, ständiges Beobachten und viel Kritik bedeuten. Wünsche auf der materiellen Ebene erfüllen sie sich oft und kompensieren so den fehlenden Zugang zur eigenen emotionalen Ebene.

Eine Mutter, Anfang 30, mit depressiven Persönlichkeitsanteilen, einer Long-COVID Erkrankung und einer 3-jährigen Tochter, kam völlig erschöpft und ratlos in meine Sprechstunde. Akribisch hatte sie ihre Gedanken und Erlebnisse aufgeschrieben. Sie hatte zwar vor Augen, warum es ihr nicht gut geht, aber keine Erlaubnis, die Erkrankung und die damit einhergehende Erschöpfung anzunehmen, musste sie doch für Kind, Mann, soziales Umfeld und Beruf weiter funktionieren. In den beiden sehr intensiven und teils tränenreichen Sitzungen erlangte sie die Erkenntnis und den Mut, ihre Bedürfnisse denen der anderen gleichzusetzen und Unterstützung anzunehmen oder auch einzufordern. Zudem gestand sie sich ein, dass der Job schon länger unbefriedigend war, wollte sie aber doch die Chefin und die Kollegin (Tandem-Job) nicht „enttäuschen“. Das Gespräch mit dem Arbeitgeber wurde von uns gemeinsam strategisch und gut vorbereitet. Für sie völlig überraschend, wurde der noch offene Erziehungsurlaub umgehend genehmigt, sogar ohne den üblichen mehrwöchigen Vorlauf. Dies hätte sie niemals für möglich gehalten, stellte sie doch bis dato alle Erwartungen und eigenen Bedürfnisse ganz weit hinten an. Nun hat sie 12 Monate Zeit, um zu Kräften zu kommen, der Tochter in der Pandemie gerecht zu werden und sich zu orientieren, in welche neue berufliche Richtung sie sich weiter entwickeln möchte. Gerne beim gleichen Arbeitgeber. Sie nennt es „Zeit für Chancen“, ein tolles Motto für die vor ihr liegende Zeit. Sie wird ihren Weg nun gehen!

Gerne zitiere ich an dieser Stelle Thomas Bittner (FB) „Das Leben kennt kein Sparbuch. Es gibt keine Aufbewahrung für später, um dann zu leben, wofür heute nicht Zeit oder Gelegenheit zu sein scheint. Es ist jetzt und hier, nicht dann und irgendwann.“

Auch Ihnen stehe ich gerne unterstützend bei der Umsetzung Ihrer Wünsche, Bedürfnisse und Ziele oder beim Lösen von Konflikten zur Seite. Egal, ob es um private, berufliche, partnerschaftliche oder vielschichtige Themen geht!  Die meisten „Hindernisse“ in unserem Leben haben oft einen gemeinsamen Kern/Nenner.

Herzlichst, Sabine Gorka